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21.11.2025
Geography of Patent Law: An Institutional Model of Variation and Convergence of Judicial Beliefs
21.11.2025
Geography of Patent Law: An Institutional Model of Variation and Convergence of Judicial Beliefs
Das Einheitliche Patentgericht soll die Durchsetzung von Patenten in Europa vereinheitlichen: ein Gericht, ein Rahmen, weniger juristische Zersplitterung. Doch schon früh zeigt sich eine bekannte Spannung: Einheitliche Regeln verhindern nicht automatisch, dass unterschiedliche juristische Hintergründe und Rechtskulturen Entscheidungen in verschiedene Richtungen ziehen. In ihrem neuen Paper untersuchen Marius Zipf, Prof. Johannes Glückler, Prof. Emmanuel Lazega und Dr. Jakob Hoffmann, warum trotz gemeinsamer Vorgaben rechtliche Variation und Konvergenz entstehen – und nutzen dafür das Konzept judicial beliefs.
Am Beispiel des strukturell ähnlichen deutschen Patentsystems zeigen die Autor*innen, dass judicial beliefs – also verinnerlichte, institutionell geprägte Vorstellungen darüber, wie Patentrecht funktionieren sollte – maßgeblich bestimmen, wie stark Entscheidungen voneinander abweichen oder zusammenlaufen. Diese beliefs können das System in zwei Richtungen lenken: hin zu lokaler Divergenz oder zu nationaler Konvergenz.
Für ihre Analyse führen die Autoren ausführliche Interviews mit Elite-Richtern der drei wichtigsten deutschen Patentgerichte (Düsseldorf, Mannheim, München). Dabei identifizieren sie drei zentrale Faktoren, die die Institutionalisierung von judicial beliefs prägen:
Career socialization: Richter*innen übernehmen gemeinsame Rechtsverständnisse durch Ausbildungsstationen, Mentoring und Tätigkeiten an höheren Gerichten.
Collegial deliberation: Durch Austausch in Netzwerken, Gremien, Konferenzen und Fachpublikationen gleichen Richter*innen ihre Interpretationen an.
Judicial abrogation: Höhere Gerichte korrigieren oder überstimmen Entscheidungen der unteren Instanzen und lenken so die Rechtsprechung auf eine gemeinsame Linie.
Auf dieser Basis entwickeln die Autor*innen ein institutionelles Modell, das erklärt, wie Variation und Konvergenz von judicial beliefs entstehen – ein wichtiges Puzzleteil, um zu verstehen, wie das UPC tatsächlich arbeitet.
Mit dem Wachstum des Einheitlichen Patentgerichts wird klar: Regeln allein schaffen keine einheitliche Rechtsprechung. Entscheidend wird sein, gemeinsame judicial beliefs über Länder- und Kulturgrenzen hinweg zu fördern. Dafür braucht es Transparenz, Austausch und klare Leitlinien der höheren Instanzen, wenn Europa ein verlässliches, innovationsfreundliches Patentsystem aufbauen will.